Museo Comunale d'Arte Moderna
10. März - 9. Juni 2013
Auch dieses Jahr möchte das Museo Comunale d'Arte Moderna Ascona wieder einen Künstler aus der eigenen Sammlung vorstellen, nämlich Heinrich Maria Davringhausen (Aachen 1894 - Nizza 1970), ein wenig bekannter und von der Kritik im italienisch sprechenden Raum selten behandelter Künstler, der jedoch einer der Pioniere der Neuen Sachlichkeit und des Magischen Realismus war und in seinem Leben zu verschiedenen Zeitpunkten Beziehungen zu Ascona hatte, so wie auch viele andere Vertreter der modernen Kunstgeschichte.
Die Beziehung zu Ascona beginnt schon 1914, als Davringhausen, angezogen von dessen anarchistischem Milieu, auf dem Monte Verità verweilt, wo er verschiedene Künstler kennenlernt, wie die Tänzerin Mary Wigman oder den anarchistischen Maler Georg Schrimpf, der einer der wichtigsten Persönlichkeiten innerhalb der zukünftigen Gruppe der Neuen Sachlichkeit sein wird: eine Bewegung, die Davringhausen - nach einer Phase, die stark von fauvistischen, expressionistischen, orphistischen und futuristischen Stilelementen gekennzeichnet ist - in seiner Kunst schon 1916/17 antizipiert und an welcher er teilnehmen wird, um mit George Grosz, Otto Dix und Carlo Mense den politischen Kampf gegen die falschen Werte des Krieges und der kapitalistischen Gesellschaft aufzunehmen, die in einer wie durch die Lupe gesehenen Wahrheit ohne Gefühle dargestellt werden.
Darauf folgen Reisen nach Spanien (1924-1925), die Rückkehr nach Deutschland, nach Köln (1928-1932), die Annäherung an die surrealistischen und konstruktivistischen (Gruppe 32) Bewegungen, die im Kreis der politisch orientierten Gruppe der Kölner Progressive vertieft werden, für welche die Kunst ein Mittel zur Revolution und zum Klassenkampf ist.
In einem grundlegenden Moment seines Werdegangs, in Spanien angefangen und in Köln weitergeführt und vertieft, weicht der Künstler zur abstrakten Kunst ab, mit einerseits klaren, geometrischen und konstruktivistischen, andererseits kubo-surrealistischen Werken, wo sich emblematische gegenständliche Elemente in übernatürlichen Räumen abzeichnen. In anderen puristischen Werken herrscht die Harmonie zwischen zweidimensionalen organischen und geometrischen Formen, auf Flächen wo die Mathematik der Orthogonalen regiert, auch dank einem direkten Vergleich mit dem Milieu von Abstraction-Création.
1933 muss Davringhausen (verheiratet mit der Jüdin Lore Auerbach) vor dem nationalsozialistischen Regime fliehen und sucht Zuflucht auf der spanischen Insel Mallorca. Hier ergibt sich der Künstler vollkommen der abstrakten Kunst, dieser universellen Sprache, die direkt das Herz anspricht, in einer Harmonie von Formen, Linien und reinen, starken, leuchtenden, vollen synthetischen Farben. So scheint der Künstler, in dauernder Flucht vor jeglicher autoritären Macht, zu sagen, dass man sich nur der abstrakten Kunst anvertrauen kann, um dem eigenen Fühlen, dem eigenen Kampf um die Existenz eine Form zu geben und so die Poesie auszudrücken, die von "žhellseherischen Händen", wie sie Davringhausen nennt, kommt; geschickte Hände wie die des Handwerkers, der es dank einer geübten Meisterhaftigkeit, die aus der Erfahrung entsteht, herzustellen weiss. Auf Mallorca begegnet er Arthur Segal wieder, eine alte Bekanntschaft aus Berlin und Ascona: Jude, Anarchist, auch er in ewiger Flucht vor den totalitären Regimen. 1936 zwingt der Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs Davringhausen erneut zur Flucht, zuerst nach Paris und dann nach Ascona, wo er von 1936 bis 1939 weilt. In Ascona lebt sich der Künstler sofort in das kulturelle und künstlerische Leben des Dorfes ein, indem er am Marionettentheater von Jakob Flach mitarbeitet oder die Freundschaft mit bekannten Persönlichkeiten wie Wladimir Rosenbaum, Aline Valangin und Erich Maria Remarque erneuert.
Es folgen weitere Jahre der Flucht, die Internierung im Lager Les Milles (zusammen mit den Künstlerfreunden Max Ernst und Anton Räderscheidt und zahlreichen Schriftstellern, wie Walter Hasenclever und Golo Mann), bis zum definitiven Zufluchtsort in Südfrankreich, in Cagnes-sur-Mer, wo er 23 Jahre lebt, bis zum Tode 1970 in Nizza.
Die Ausstellung wird von einem zweisprachigen Katalog (italienisch/deutsch) des Verlags ALIAS begleitet, herausgegeben von Mara Folini mit Beiträgen von Dorothea Eimert (Autorin des Werkverzeichnisses des Künstlers) und Elena Pontiggia.
Im August Macke Haus Bonn läuft vom 6. Februar bis 2. Juni 2013 ebenfalls eine Heinrich Maria Davringhausen gewidmete Ausstellung, mit Werken aus der Zeit des Expressionismus bis zur Neuen Sachlichkeit. Klicken Sie hier um die Internetseite des Macke Haus zu besichtigen oder laden Sie den Flyer der Ausstellung durch den unten stehenden Link herunter.
Samstag, den 9. März, um 17.30 Uhr
Museo Comunale d'Arte Moderna, Ascona
Studie | 1914 | Öl auf Leinwand | 81.5 x 71 cm | Privatsammlung, Mailand
Haus in Cala Ratjada | 1933/36 | Öl auf Leinwand | 114 x 146.5 | Privatsammlung | © White Square Gallery, Berlin
Ohne Titel | 1937/38 | Öl auf Leinwand | 114.5 x 146.5 cm | Privatsammlung, Mailand
Interieur mit Tischen | 1940 | Öl auf Leinwand | 89 x 116 cm | Privatsammlung R.C., Novara | Courtesy Galleria d'Arte, Bergamo
Ohne Titel | 1949 | Öl auf Leinwand | 98 x 146 cm | Coll. Paolo Blendinger, Torricella
Tanz des Irren | 1922 | Lithographie | 61.5 x 42 cm | Privatsammlung, Mailand
Ohne Titel (Theater Ascona) | 1937/38 | Gouache auf Papier | 45 x 70 cm | Privatsammlung | © White Square Gallery, Berlin
Komposition | 1938 | Tempera auf Papier | 52 x 38 cm | Museo Comunale d'Arte Moderna, Ascona
Ohne Titel | 1935/36 | Öl auf Papier auf Leinwand | 58.5 x 46.5 cm | Privatsammlung
Komposition | 1944 | Schiefertafel geritzt | 21.7 x 29.7 cm | Privatsammlung, Mailand
Samstag, 6. April, 27. April und 18. Mai; um 10.30 Uhr, Museo Comunale d'Arte Moderna, Ascona
Öffentliche Führung durch die Ausstellung; im Eintrittspreis inbegriffen. Die Voranmeldung beim Museum wird empfohlen.
Sonntag, 7. April, 28. April und 19. Mai; um 10.30 Uhr, Museo Comunale d'Arte Moderna, Ascona
Öffentliche Führung durch die Ausstellung; im Eintrittspreis inbegriffen. Die Voranmeldung beim Museum wird empfohlen.