Museo Comunale d'Arte Moderna
7. März - 12. April 2015
Die Gemeindesammlung von Ascona vereinigt gegenwärtig mehr als 500 Kunstwerke: eine heterogene Sammlung, deren Grundkern 1922 zum Anlass der Gründung des Gemeindemuseums entstanden ist, als eine kleine Gruppe von Künstlern entschied, der Gemeinde eines oder mehrere, meistens eigene, Werke zu schenken. Eine grossmütige Tat, die unter den Künstlern zu einer Gewohnheit wurde und dank welcher die Sammlung, mit dem Vergehen der Jahre, beträchtlich gewachsen ist. Dies ebenfalls dank gezielter Ankäufe und der Anschaffung wichtiger Bestände seitens der Gemeinde, deren Inhalt einen besonderen Bezug zum künstlerischen Milieu Asconas haben.
Obwohl sie auf ziemlich zufällige Weise entstanden ist, anlässlich persönlicher Grosszügigkeiten und Impulsen, setzt sich die Gemeindesammlung (ausser einigen wenigen Ausnahmen) durch Werke aus dem 20. Jahrhundert zusammen, die man also in eine präzise Zeitspanne und in bestimmte künstlerische Bewegungen einreihen kann. Der Bestand ist von verschiedenen Werkgruppen gebildet, die sich durch den Stil, aber auch durch den Genre unterscheiden: so schweift man von Werken in realistischer Gestaltung zu anderen mit expressionistischen Eigenschaften, bis zu Arbeiten kubistischen Ursprungs; von Landschaften zu Porträts und Stillleben. Um die Besonderheit der Sammlung auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, eröffnet das Museo Comunale d'Arte Moderna Ascona die Ausstellungssaison 2015 mit einer Auswahl von etwa 50 Porträts aus der Gemeindesammlung.
Die Ausstellung zeigt Porträts in verschiedenen Techniken - Skulptur, Malerei und Grafik - und in verschiedenen Stilen. Im ersten Ausstellungssaal begegnet man den letzten Vermächtnissen der Vergangenheit: das männliche Porträt im Profil von Friederike de Beauclair, im realistisch naturalistischen Stil, weist deutlich auf antike Modelle hin, während das Porträt einer jungen Frau von Clara Wagner-Grosch sowohl romantische als auch impressionistische Merkmale aufweist, das ergreifende Selbstbildnis von Arthur Segal erinnert hingegen an die rembrandtschen Helldunkeleffekte. Im nächsten Ausstellungssaal wird man in die Avantgarde eingeführt, mit Porträts die expressionistisch geprägt sind - wie Regine schwanger von Leo Maillet - bis zum Porträt von Moissey Kogan von Otto van Rees, das kubistische Eindrücke erweckt. Dieses Gemälde wiedergibt das gezeichnete Gesicht des Bildhauers Kogan und reiht sich an eine bedeutende Serie von Porträts an, welche die Künstler darstellen, die in jenen Jahren in Ascona verkehrten: so entdeckt man das Gesicht von Ernst Frick, Maler und Anarchist, der seit 1912 in Ascona lebte, das des schwedischen Bildhauers Knut Akerberg, gemalt von Ernst Kempter und somit die Freundschaft zwischen den beiden Künstlern bezeugend oder auch das des Schriftstellers Jakob Bührer, gemalt vom Freund Fritz Pauli. Im dritten Saal begegnet man weiteren bekannten Gesichtern, in erster Linie dem von Marianne Werefkin, die von ihrem Lebensgefährten Alexej Jawlensky und vom Kollegen Willy Fries porträtiert wurde oder dem des Malers Ernst Kempter, erfasst durch seinen Landsmann, dem Maler Henry Kläui. Unter den Skulpturen stechen die Büste Aline Valangins, die von Hermann Haller modelliert wurde und der Kopf aus Bronze des Clowns Dimitri, ausgeführt von seinem Vater, dem Bildhauer Werner J. Müller, hervor. Im letzten Saal wird die Ausstellung durch etwa zwanzig grafische Arbeiten beendet, die weiterhin die Bildnisse von Künstlern und anderen Persönlichkeiten offenbaren, wie zum Beispiel das von tiefen Furchen geprägte Gesicht von Giacometti.
Beim Vorangehen in den Ausstellungssälen ist man nicht nur von Gesichtern in verschiedenster Ausführung umgeben, sondern man entdeckt das Ascona der 1920er und 1930er Jahre. An den Wänden reihen sich die Antlitze der Künstler aneinander, die in jenen Jahren dort ansässig waren, gemalt oder modelliert von anderen Künstlern, die dort wohnten. Die Sammlung bestätigt so nicht nur ihre künstlerische sondern auch ihre historische Bedeutung, als lebendiges Zeugnis des Künstlerkreises, der die Geschichte Asconas im vorherigen Jahrhundert mitgestaltet hat.
In einer Welt, die uns täglich mit Abbildungen überhäuft, in welcher Selbstbildnisse und "žSelfies" di Social Networks überfluten, stellt sich die Ausstellung wie eine Einladung zur Überlegung über das Verlangen nach sozialer Identifikation, sowohl aus der Sicht der Künstler und deren Umkreis, als auch in selbstbezogener Hinsicht.
Veronica Provenzale
Museo Comunale d'Arte Moderna, Ascona
Clara Wagner-Grosch | In Meditation | 1921 | Pastell auf Karton | 59 x 55 cm | CCA 0-0-205
Arthur Segal | Selbstporträt | 1928 | Öl auf Karton | 55 x 46 cm | CCA 0-0-33
Otto van Rees | Porträt von Moissey Kogan | 1923/24 | Öl auf Leinwand | 63 x 52 cm | CCA 0-0-25
Margaretha Paulsen | Porträt des Malers Ernst Frick | um 1922 | Öl auf Leinwand | 81 x 48 cm | CCA 0-0-266
Alexej Jawlensky | Porträt von Marianne Werefkin im Profil | um 1905 | Öl auf Karton | 71 x 45 cm | CCA 0-0-60
Heinrich Kläui | Tessiner Mädchen (Giuseppina) | 1924 | Öl auf Leinwand auf Karton | 34.8 x 29.5 cm | CCA 0-0-401
Margherita Osswald-Toppi | Porträt eines Mädchens | o.J. | Öl und Tempera auf Leinwand | 39 x 24 cm | CCA 0-0-77
Hermann Haller | Porträt von Aline Valangin | o.J. | bemalte Terrakotta | 34 x 23 x 26.5 cm | CCA 0-0-161