Museo Comunale d'Arte Moderna
3. April - 31. Juli 2011
Dank 25 Kunstwerke russischer Meister des Realismus, des Modernismus und des Symbolismus, welche die Werke von Marianne Werefkin (Tula, 1860 - Ascona, 1938) begleiten, wird die frühe Entwicklung der Künstlerin und ihre Vorbilder in Russland zwischen den Jahre 1880 und 1896 neu beleuchtet und rekonstruiert.
Die Ausstellung ist von Mara Folini, Kuratorin des Museo Comunale d'Arte Moderna von Ascona, kuratiert und wurde in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Komitee, bestehend aus Nicoletta Misler, John Bowlt, Jean-Claude Marcadé und Laima Lauckaite Surgailiene, realisiert. Es werden 25 Kunstwerke des 19. und 20. Jh.s aus der Staatlichen Tretjakow-Galerie in Moskau präsentiert, die noch nie ausserhalb Russlands ausgestellt worden sind. Begleitet werden diese Bilder von 3 selten gezeigten Jugendbildern Marianne Werefkins, 60 Gemälden, 30 Skizzenheften, Tagebüchern und verschiedenen anderen Zeugnissen der so einzigartigen Künstlerin des vergangenen Jahrhunderts, die in den Jahren 1909 und 1910 Mitbegründerin der avantgardistischen Bewegungen der Neuen Künstlervereinigung München und des Blauen Reiters war.
Die erstmals im Herbst 2010 in der Moskauer Tretjakow-Galerie gezeigte Ausstellung ging aus einem Projekt hervor, das vom Kulturamt von Ascona mit Unterstützung der dortigen Stadtgemeinde und des dortigen Museums sowie der Schweizer Botschaft in Moskau in die Wege geleitet und im Rahmen der Economic Forum & Cultural Discoveries - einer vom Kanton Tessin in Zusammenarbeit mit der Schweizer Botschaft in Moskau organisierten Veranstaltung - durchgeführt wurde. 2011 wird sie ins kulturelle Austauschprogramm der Russischen Botschaft in Bern als Teil des Festivals "Russland in der Schweiz" aufgenommen.
Aufgrund neuer Recherchen im Handschriftenarchiv der Tretjakow-Galerie, die eine noch nie veröffentlichte Korrespondenz von Marianne Werefkin mit ihren Künstlerfreunden Kardowsky, Grabar und Repin ans Tageslicht brachten, ist es in dieser Ausstellung gelungen, das historische und kulturelle Umfeld, in dem die Künstlerin vor ihrer Abreise nach München 1896 lebte und sich künstlerisch bildete, eingehend zu analysieren.
Die Ausstellung in Ascona untersucht im Besonderen die frühe Entwicklung der Künstlerin in Russland, als Marianne Werefkin sich Endes des 19. Jh.s der Künstlergruppe der Peredwischniki (dt. Wanderer) von Ilja Repin und Illarion Mikhailovich Prjanišnikov sowie an die russischen Modernisten und Symbolisten (Borisov-Musatov, Botkin, Krymov, Kuznecov, Milioti, Rerikh, Sapunov, Savinov, Somov, Sudejkin, Ul'janov, Utkin, Jakuncikova-Veber, Vrubel) anlehnte, die ihre Identität als Künstlerin bedeutend beeinflussten.
Die Ausstellung zeigt drei besonders seltene Bilder, die Marianne Werefkin in ihrer Jugendzeit schuf, neben welchen Werke ihrer Lehrer und Künstlerfreunde ausgestellt werden, die aus der Tretjakow-Galerie sowie aus verschiedenen Schweizer Privatsammlungen stammen. Marianne Werefkin, Schülerin Ilja Repins, einem der wichtigsten Meister des russischen Realismus, übernahm zunächst die Prinzipien der Peredwischniki. Diese Künstlergruppe wollte in erzieherischer Absicht die Kunst dem Volk nahe bringen und legte dabei vor allem Wert auf Details und den menschlichen Ausdruck der dargestellten Figuren, welche häufig Juden waren. Schon in den 90er Jahren des 19. Jh.s zweifelte die Künstlerin an dieser Einstellung, aufgrund einer viel subjektiveren Kunstauffassung, die sich nicht der sogenannten "Wirklichkeit des Lebens", sondern vielmehr dem "wirklichen Leben", das heisst der Persönlichkeit des schöpferischen Künstlers, verpflichtet fühlte. In diesem Kontext versucht die Ausstellung den zentralen Kern der frühen Auseinandersetzung Marianne Werfkins mit den neuen Künstlergenerationen der russischen Symbolisten und Modernisten, mit der Kolonie von Abramcevo und der Ausstellungsvereinigung Mir Iskusstva (dt. Welt der Kunst) zu unterstreichen. Dieser Zwiespalt war lange Zeit im Hintergrund ihres inneren Werdeganges präsent, dauerte auch noch nach ihrer Übersiedlung 1896 nach München an und veranlasste sie fast 10 Jahre lang nicht mehr zu malen.
Dank dem künstlerischen Milieu der Sezession in München sowie ihren Studien und Reisen nach Paris, wo sie Werke van Goghs, Gauguins und der Nabis kennen lernte, begann Marianne Werefkin 1906 wieder zu malen und dabei auf einen der neuen expressionistischen, lyrischen und visionären Stile überzugehen. Sie arbeitete nun mit der reinen Farbe und bewegte sich zwischen Farbakkorden und Farbgegensätzen. Sie trug die Farben à plat auf und umgrenzte diese häufig in weicher Linienführung fast nach der Art eines französischen cloisonné. Geradezu ins Zentrum der internationalen künstlerischen Debatte jener Zeit begab sie sich, als sie zusammen mit Alexej Jawlensky, Wassily Kandinsky, Adolf Erbslöh, Alexander Kanoldt und anderen Persönlichkeiten die Neue Künstlervereinigung München (1909) gründete. Ein Jahr später, 1910, war Marianne Werefkin dabei, als ihr Freund und Landsmann Wassily Kandinsky den Blauen Reiter ins Leben rief. Sie selbst beteiligte sich an dieser Künstlergruppe mit ihren theoretischen Schriften, den Lettres à un inconnu, die sie zwischen 1901 und 1905 verfasste und die auch in der Ausstellung von Ascona zu sehen sind.
Die Ausstellung streift auch die Zeit ihres Aufenthaltes in der Schweiz (1914-1938) nach ihrer Flucht aus Deutschland. Nachdem sie sich in Zürich im internationalen Umfeld der Dada-Bewegung bis 1917 aufgehalten hatte, erreichte sie 1918 Ascona, wo sie bis zu ihrem Lebensende blieb. In Ascona wurde Marianne Werefkin bald zu einem wichtigen Bezugspunkt in der Kulturszene der Stadt, wo sie besonders zwei der wichtigsten Initiativen startete und vertrat: die Gründung des Museums von Ascona 1922 und die Mitbegründung der Künstlerbewegung Der Grosse Bär 1924. Ihre Rolle in der Stadt Ascona wird in der Ausstellung von zahlreichen persönlichen Dokumenten, wie Tagebüchern und Briefen, belegt und von historischen Dokumentarfilmen bezeugt, die von der RSI-Radio Televisione Svizzera stammen.
Die Ausstellung wird von einem Katalog in italienischer und russischer Sprache begleitet, der von Mara Folini kuratiert wurde. Er enthält Beiträge von russischen und europäischen Wissenschaftlern wie John E. Bowlt, Jean-Claude Marcadé, Nicoletta Misler, Laima Lauckaite Surgailiene, Elena Terkel und Andrey Tolstoy.
Samstag, den 2. April, um 17.30 Uhr
Museo Comunale d'Arte Moderna, Ascona
Viktor El'pidiforovič Borisov-Musatov (1870-1905) | Porträt von Nadejda Yourievna Stanjuković | 1903 | Öl auf Leinwand | 91 x 64 cm | Inv. 3718 | Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau
Olga Ludvigovna Della-Vos-Kardovskaja (1877-1952) | Porträt des Malers Dmitrij NikolaeviÄ Kardovskij | 1913 | Öl auf Leinwand | 67 x 64 cm | Inv. 8884 | Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau
Michail Aleksandrovič Vrubel' (1856-1910) | Der Schwan | 1901 | Öl auf Leinwand | 155 x 132.2 cm | Inv. 1463 | Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau
Pëtr Savvič Utkin (1877-1934) | Liebhaber des Sturms | 1904, 1908 | Tempera auf Leinwand | 76.5 x 81 cm | Inv. 5968 | Galleria Statale Tretyakov, Mosca
Nikolaj Pavlovic Ul'janov (1875-1949) | Porträt des Dichters Konstantin Bal'mont | 1909 | Öl auf Leinwand | 71 x 51 cm | Inv. 3819 | Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau
Il'ja Efimovič Repin (1844-1930) | Die Schauspielerin P.A. Strepetova | 1882 | Öl auf Leinwand | 64.7 x 53.5 cm | Inv. 734 | Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau
Igor' Ėmmanuilovič Grabar' (1871-1960) | Der Tag geht zu Ende | 1904 | Öl auf Leinwand | 55 x 108 cm | Inv. 22585 | Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau
Marianne Werefkin (1860-1938) | Selbstbildnis | 1893 | Öl auf Leinwand | 69 x 51 cm | FMW 0-0-1 | Marianne Werefkin Stiftung, Ascona
Marianne Werefkin (1860-1938) | Mann im Pelz | 1890 | Öl auf Leinwand | 61 x 52 cm | Inv.Nr. M 1090 | Museum Wiesbaden
Marianne Werefkin (1860-1938) | Polizeiposten in Vilnius | 1914 | Tempera auf Papier auf Karton | 98 x 82 cm | FMW 0-0-33 | Marianne Werefkin Stiftung, Ascona
Mittwoch, den 6. April 2011, um 18.00 Uhr, Monte Verità, Ascona
Vortrag von Prof. Jean-Claude Marcadé (emeritierter Forschungsdirektor am C.N.R.S - Centre National de la Recherche Scientifique in Paris)
Freitag, den 15. April 2011, um 18.00 Uhr, Monte Verità, Ascona
Vortrag von Dr. Ivan Foletti (Universität Lausanne und Universität Masaryk, Brünn).
Mittwoch, den 20. April 2011, um 20.30 Uhr, Biblioteca popolare, Ascona
An der Präsentation des Buches, das vom Museo Comunale d'Arte Moderna Ascona in Zusammenarbeit mit Ipertesto Edizioni di Verona herausgegeben wird, nehmen die Autorin, Prof. Giorgio Baietti, Journalist und Schriftsteller, Dr. Mara Folini, Direktorin des Gemeindemuseums Ascona, und Prof. Alberto Maceroni, Leiter der Volksbibliothek von Ascona, teil.
Freitag, den 6. Mai 2011, um 16.00 Uhr, Monte Verità, Ascona
Runder Tisch mit: Prof.ssa Elda Garetto (Universität Mailand), Prof.ssa Patrizia Deotto (Universität Triest), Prof. Fausto Malcovati (Universität Mailand), Dr. Lorenza Gallotti (Moderatorin).
Freitag, den 13. Mai 2011, um 20.30 Uhr, Teatro San Materno, Ascona
Auftritt von Anne Wiemann, Musikerin (Sopran- und Baritonsaxophon, Flöten und Loop-Elektronik).
Mittwoch, den 18. Mai 2011, um 18.30 und um 19.30 Uhr, Monte Verità, Ascona
Teatrodanza Tiziana Arnaboldi. Frei nach dem intimen Tagebuch Lettres à un inconnu von Marianne Werefkin. Choreographie: Tiziana Arnaboldi. Tänzer: Bruno Catalano, Eleonora Chiocchini, Françoise Parlanti.
Sonntag, den 29. Mai 2011, um 10.30 Uhr, Museo Comunale d'Arte Moderna, Ascona
Öffentliche Führung durch die Ausstellung; im Eintrittspreis inbegriffen. Die Voranmeldung beim Museum wird empfohlen.
Mittwoch, den 15. Juni 2011, um 18.00 Uhr, Monte Verità, Ascona
Vortrag von Prof. John Bowlt (University of Southern California, Los Angeles, USA).
Mittwoch, den 15. Juni 2011, um 19.30 Uhr, Monte Verità, Ascona
Vortrag der Prof. Nicoletta Misler (Universität Neapel - L'Orientale).
Sonntag, den 19. Juni 2011, um 17.00 Uhr, Kirche des Collegio Papio, Ascona
Kulturelle Veranstaltung mit Mark Drobinsky am Cello und Lorena di Florio am Klavier, die von Riccardo Tiraboschi als Hommage an die Ausstellung Russische Künstler zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert. Die frühen künstlerischen Jahre Marianne Werefkins gefördert wird, die im Museo Comunale d'Arte Moderna Ascona stattfindet.
Sonntag, den 26. Juni 2011, um 10.30 Uhr, Museo Comunale d'Arte Moderna, Ascona
Öffentliche Führung durch die Ausstellung; im Eintrittspreis inbegriffen. Die Voranmeldung beim Museum wird empfohlen.
Sonntag, den 3. Juli 2011, um 18.00 Uhr, Monte Verità, Ascona
An diesem Abend werden Texte aus Briefen, Tagebüchern und Biographien von drei der grössten Künstlerinnen und Intellektuellen des 19. und 20. Jahrhunderts wie Marianne Werefkin, Gabriele Münter und Beatrice Hastings und insbesondere aus dem Buch von Valeria Palumbo, Prestami il volto (herausgegeben von Selene, 2003), das 2006 mit dem Preis Il volto delle donne ausgezeichnet wurde, gelesen. Die Texte werden von Sonia Grandis, Sara Urban und Valeria Palumbo selbst interpretiert, begleitet von den Improvisationen des Jazzquartetts SHUT UP, das sich aus Fausto Bertoli (Gitarre), Giovanni Tosi (Klavier), Peter Wolf (Bass) und Walter Colombo (Stimme, Flöte und Ewi) zusammensetzt.
Freier Eintritt
Freitag, den 8. Juli 2011, um 20.30 Uhr, Monte Verità, Ascona
Der Abend in Erinnerung an Boris Luban-Plozza (1923-2002) bietet einen Einblick in das zeitgenössische musikalische Umfeld der russischen Maler, die in der Ausstellung im Museum von Ascona vertreten sind, wie beispielsweise auch Marianne Werefkin, die selbst eine aufmerksame und kritische Besucherin von Konzerten und Opernaufführungen war. Auf dem Programm stehen Stücke von russischen Komponisten, insbesondere von Tschaikowsky, aber auch von Skrjabin, Rachmaninow, Dargomyžsky, Strawinsky, Balakirew, Prokofjew und anderen.
Freier Eintritt
Sonntag, den 24. Juli 2011, um 10.30 Uhr, Museo Comunale d'Arte Moderna, Ascona
Öffentliche Führung durch die Ausstellung; im Eintrittspreis inbegriffen. Die Voranmeldung beim Museum wird empfohlen.