Museo Castello San Materno
17. Juni - 15. Oktober 2017
"žDie Kunst ist von Menschen gemacht; seine eigene Gestalt ist das Centrum der Kunst."
Ernst
Ludwig Kirchner, 1927
Von Lovis Corinth bis Alexej Jawlensky. Menschenbilder
der Moderne
ist die zweite Sonderausstellung, die in den Räumen
des Museo Castello San Materno gezeigt wird. Sie ist ein Projekt der
Kulturstiftung Kurt und Barbara Alten, Solothurn, in Kooperation mit dem Museo
Comunale d'Arte Moderna und der Gemeinde Ascona.
Zu
sehen sind Werke von
Lovis Corinth, Otto Dix, Erich Heckel, Karl Hofer, Ernst
Ludwig Kirchner, Otto Mueller, Emil Nolde, Hans Purrmann, Christian Rohlfs,
Hans Thuar und Alexej Jawlensky. Aus Privatsammlungen aus der Schweiz und
Deutschland konnten
Gemälde, Arbeiten auf Papier und Druckgrafiken
zusammengetragen werden.
Die
Ausstellung beleuchtet die Darstellung des Menschen in der bildenden Kunst von
Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Der Bogen spannt sich dabei vom
Selbstporträt des Künstlers und seiner schonungslosen Auseinandersetzung mit
der
Vergänglichkeit der menschlichen Existenz über den Blick auf den nackten
menschlichen Körper
im Atelier und in freier Natur bis hin zum abstrahierten,
eindringlichen
Antlitz bar jeder Individualität.
Das
Selbstporträt dient Künstlern als Instrument der Selbstbefragung. Ab seinem 40. Lebensjahr beobachtet
Lovis Corinth forschend seinen Alterungsprozess: zumeist um seinen Geburtstag herum,
entstehen seine eindrücklichen, oft schonungslos den körperlichen und
psychischen Zustand aufzeigenden Selbstbildnisse.
Hans Purrmann
beschreitet einen anderen Weg. Sein Ziel ist es nicht, sich Selbst oder sein
Gegenüber psychologisch zu deuten, gar zu idealisieren, sondern den Porträtierten
durch leuchtende Farben und vereinfachte Formen von seiner Individualität zu
entheben.
Auf ihren
Studienreisen fern der westlichen Welt sind
Karl Hofer, Otto Mueller und Emil
Nolde
von der Schönheit und Ursprünglichkeit der Natur und den Menschen
fasziniert. Doch wird der Einzelne nicht als solcher wahrgenommen und
abgebildet. Die
Zigeunerfamilie oder
der
Südseeinsulaner werden zu
Repräsentanten ihrer jeweiligen Kultur.
Der
Akt stellt eines der ältesten und faszinierendsten Motive in der bildenden
Kunst dar. Um 1900 setzt ein Wandel in der Darstellung ein. Das überkommene,
von der Antike geprägte Schönheitsideal und mit ihm die starren akademischen
Modellposen verlieren an Bedeutung. Künstler wie
Lovis Corinth und Christian
Rohlfs
sind auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen.
Im
Expressionismus wird die naturalistische Darstellungsweise des Menschen
aufgegeben. Die menschliche Gestalt wird Ausdruck innerer Stimmungen, von
Emotionen und von elementaren Erlebnissen.
Die
natürliche Nacktheit im Atelier und das ungezwungene Leben in freier Natur sind
auch bei
Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner immer wiederkehrendes Motiv.
Schrecken
und Leid der Weltkriege, persönliche Erkrankungen und die damit einhergehende
Erfahrung der Endlichkeit des Lebens verändern die Sicht der Künstler auf das
Menschenbild.
Malend
erforscht
Alexej Jawlensky das menschliche Antlitz und reduziert es
letztlich auf nur wenige Grundelemente. Die
Abstrakten
Köpfe
zeichnen sich durch die ovale Form des Gesichtes, die Aufteilung in
Flächen und eine rechtwinklige Linienführung aus. Eine weitere Reduktion
erfahren die ab 1934 begonnenen
Meditationen.
Seine krankheitsbedingte innere Emigration und seine tiefe Verwurzelung im
Glauben haben diese abstrakt-meditativen kleinen Meisterwerke entstehen lassen.
Tief beeindruckend
und inspirierend für die Malerei von
Otto Dix ist seine Begegnung mit dem
Isenheimer Altar (1512/16) von Matthias Grünewald im elsässischen Colmar. Die
Schrecken seiner Kriegserlebnisse und die elementare Auseinandersetzung mit
diesem Hauptwerk deutscher Malerei finden ihren Ausdruck in seinen
Christusdarstellungen.
Für
Lovis Corinth
ist, wie für keinen zweiten Künstler seiner Zeit, die Beschäftigung mit dem Tod
von immanenter Bedeutung. Er verdeutlicht die Macht des Todes über alles
menschliche Leben und führt uns mit seinen Bildern von Skeletten seine eigene und
unsere Endlichkeit deutlich vor Augen.
Harald Fiebig
Freitag, den 16. Juni, um 17.00 Uhr
Museo Castello San Materno, Ascona
Lovis Corinth | Rückenakt Charlotte Berend-Corinth | 1912 | Öl auf Leinwand | 60 x 44 cm | Sammlung Frank Brabant, Wiesbaden
Alexej Jawlensky | Kleiner abstrakter Kopf | 1934 | Öl auf Leinenstrukturpapier auf Karton | 17,7 x 13 cm | Privatsammlung, Schweiz
Ernst Ludwig Kirchner | Blauer Kopf, Erna (Fehmarn-Strand-Szene) | 1913 | Aquarell über Bleistift auf Papier | 59 x 46 cm | Privatsammlung, Schweiz
Hans Thuar | Paar im Boot | 1921 | Tempera und Aquarell auf Malkarton | 31,7 x 24 cm | Privatsammlung, Schweiz
Christian Rohlfs | Ohne Titel - weiblicher Akt | 1910 | Öl auf Leinwand | 100 x 50 cm | Courtesy Thole Rotermund Kunsthandel, Amburgo | Privatsammlung, Rheinland